IST UNSERE MUTTERSPRACHE IN GEFAHR?

Betrachtungen eines Philologen

 

Wie groß war das Geschrei, als die Kultusminister die lächerliche sogenannte Rechtschreibreform absegneten. "Unsere Muttersprache ist in Gefahr!" tönte es allenthalben. Sogar die Schriftsteller rangen sich schließlich, als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war, zu einem "geharnischten" Protest durch.

Das Unsägliche an dem Geschrei war, daß die vermeintlichen "Verteidiger unserer Muttersprache" den grundlegenden Unterschied zwischen Sprache und Schreibung ignorierten. Während erstere etwas Lebendiges, natürlich Gewachsenes und sich ständig Fortentwickelndes ist, handelt es sich bei letzterer, ebenso wie bei der Schrift, um etwas künstlich Geschaffenes, das sehr wohl veränderbar ist und auch vereinfacht werden sollte. Ich spreche bewußt nicht von Rechtschreibung, denn auf Grund der historischen Entwicklung der Sprachen und fehlender Anpassung und Normierung der Schreibung in früheren Jahrhunderten ist es in vielen Sprachen zu einer immer größeren Diskrepanz zwischen beiden gekommen, wofür gerade das Englische ein Paradebeispiel ist. George Bernard Shaw soll ja sogar eine hohe Summe demjenigen versprochen haben, dem es gelinge. die komplizierte englische Orthographie von Grund auf zu reformieren.

Irgendwann sollte es trotz der enormen Kosten zur Schaffung und Durchsetzung eines internationalen Alphabets nach dem Prinzip "ein Laut - ein Buchstabe" kommen, für das die Association Phonetique Internationale eine gute Vorarbeit geleistet hat. Das würde nicht nur das Erlernen von Fremdsprachen sehr erleichtern und dem Tourismus dienen, sondern auch die Entwicklung eines Diktier-Schreibgeräts ermöglichen, das das umständliche Tastendrücken überflüssig machen würde. Dann erst könnte man auch von Rechtschreibung sprechen.

Da es sich bei unserer sogenannten Reform nur um Lappalien und zum Teil um Verschlimmbesserungen handelt, waren die Proteste insoweit gerechtfertigt. Davon abgesehen steht aber bei uns eine weit wichtigere Reform noch aus: die der Wiedereinführung der gemäßigten Kleinschreibung. Jawohl, Wiedereinführung! Denn die die Tradition ins Feld Führenden ignorieren, daß es vor der noch relativ jungen Großscbreibung die viel ältere Tradition der gemäßigten Kleinschreibung in der deutschen Literatur gab (siehe z. B. das Nibelungenlied, Kudrun und die Minnesänger). . Sowohl aus ökonomischen Gründen - wieviel Zeit wird in der Schule mit dem Erlernen der zum Teil absurden Großschreibregeln vergeudet, die viel besser für Computerunterricht verwendet werden sollte - als auch aus politischen - leichteres Erlernen für Ausländer -wäre die Wiedereinführung der gemäßigten Kleinschreibung wichtig. Auch das wäre ein Schritt auf dem Weg zur europäischen Harmonisierung und Verständigung. Soviel zum Thema Rechtschreibreform und Muttersprache.

Für letztere droht heute aus einer ganz anderen Richtung eine echte Gefahr: die der Amerikanisierung. Immer mehr Deutsche scheinen sich ihrer Muttersprache zu schämen und meinen, immer mehr Wörter und Wendungen durch amerikanische ersetzen zu müssen. Amerikanisches Englisch ist "in". (Früher sagte man "chic", aber das kommt ja aus dem Französischen.) Wer nicht richtig Englisch kann, mischt ein paar englische Brocken in sein Deutsch, so wie unser Bäcker, der neuerdings "Brot around the clock" verkauft, obwohl er nachts nicht geöffnet hat. Es sollte mich nicht wundern, wenn er seine Bäckerei demnächst "Schrippencenter" nennt. Oft kommt es zu sinnlosen Benennungen wie CityPointCenter" weitab von der City. Hauptsache es klingt amerikanisch. Banken, Konzerne und sogar staatliche oder kommunale Institutionen sprechen ihre Kunden immer häufiger auf Englisch an, obwohl höchstens ein Viertel von denen dieser Sprache mächtig ist. Gerechtfertigt wird das mit dem Gummibegriff "Globalisierung". Dass aber auch Wörter und Begriffe französischen, lateinischen, italienischen und sonstigen fremden Ursprungs verdrängt werden, die in unserer Sprache längst heimisch geworden sind (z. B. Niveau - Level, Zentrum- Center, Mannequin - Model, Potpourri - Medley, Rendezvous - Date), kann von Globalisierung keine Rede sein. Es handelt sich schlicht und einfach um Amerikanisierung. Nichts gegen den gemäßigten Gebrauch von Anglizismen zu sagen ist auf dem Gebiet der Kommunikation und des internationalen Verkehrs, da Englisch nun mal das Französische als Weltverkehrssprache (Diplomatie, Börse usw.) abgelöst hat. Aber es geht nicht an, wenn Bundesbahn, Telekom usw. die deutschen Bezeichnungen einfach streichen und nur noch die englischen gebrauchen. Die alte Deutsche Reichsbahn kam gar nicht auf die Idee, nur französische und italienische Hinweise in ihren Waggons und auf ihren Bahnhöfen zu verwenden.

Kurzum die Amerikanitis greift um sich wie eine Seuche - bei uns schlimmer als sonstwo in Europa. Ich habe in Frankreich, Italien oder Spanien vergebens nach centers oder shops Ausschau gehalten, und wurde ich doch mal fündig, waren sie in deutscher Hand. Ist Deutschland das trojanische Pferd der Amerikanisierung in Europa? Die Franzosen und Polen suchen dieser Entwicklung sogar durch Gesetze Einhalt zu gebieten. Wenn einzelne wie der Berliner Senator Werthebach das auch bei uns fordern, halte ich das nicht für sinnvoll. Die Sprache hat ihre eigenen Gesetze und läßt sich nicht reglementieren. Der Widerstand sollte aus der Bevölkerung kommen, und die Medien sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Recht hat der Senator jedoch mit seiner wohlbegründeten Warnung vor den Gefahren für unsere Sprache. Allenfalls könnten Minister und Senatoren in ihren Zuständigkeitsbereichen per Dienstanweisung den Gebrauch unnötiger Anglizismen intern und im Umgang mit Bürgern untersagen. Auch müßten sich noch viel mehr Prominente engagieren. Unsere Selbstachtung sollte uns dazu bringen, gegen diese Seuche immun zu werden. Wir Deutsche fallen gern von einem Extrem ins andere. Auf Zeiten des Chauvinismus ((z. B. unter Kaiser Wilhelm und Hitler), der sich auf sprachlichem Gebiet als übertriebener Purismus äußerte, folgten Anhimmelung des American way of life und Mißachtung der eigenen Werte. Wie überall ist der goldene Mittelweg das Ideale. Alle anderen Völker der Welt haben ein unverkrampfteres Verhältnis zu Begriffen wie Nationalgefühl, Muttersprache oder Vaterland. Leider hat das Tausendjährige Reich auch diese Begriffe derart in Mißkredit gebracht, daß uns nur noch der Ausweg blieb, Europa zu unserem Vaterland zu erküren. Aber das sollte uns auch Verpflichtung sein, gemeinsam mit den anderen europäischen Nationen der zunehmenden Amerikanisierung unserer Sprachen Widerstand entgegenzusetzen. In der abendländischen Geschichte gibt es nur wenige Beispiele einer derart massiven Überlagerung einer Sprache durch eine andere. Ein Beispiel ist die Überlagerung des Angelsächsischen durch das Altfranzösische nach der Eroberung Englands durch die Normannen 1066, als dessen Folge schätzungsweise die Hälfte des heutigen englischen Wortschatzes französischen Ursprungs ist. Das zweite Beispiel ist der Siegeszug der französischen Sprache und Kultur seit den Tagen des Sonnenkönigs Ludwigs XIV, der in fast allen europäischen Sprachen bis nach Rußland seine Spuren hinterlassen hat. Die jedoch werden schon seit langem selbst in ausgesprochenen Domänen des Französischen wie Politik, Mode und Kosmetik durch Anglizismen verdrängt. Zwischen diesen beiden historischen Beispielen sprachlicher Durchdringung und dem Verdrängungsprozeß in unserer Sprache durch amerikanisches Englisch besteht ein grundlegender Unterschied: Während es sich bei ersteren jeweils uni die Beeinflussung durch eine überlegene Kultur handelte, kann bei letzterem wohl kaum die Rede davon sein. Selbst bei europäischen Erfindungen und Entdeckungen wie Telefon, Rundfunk, Film und Fernsehen dominiert das Englische den Fachwortschatz absolut. Der Grund dafür ist einmal die wirtschaftliche und politische Macht der USA, die zum sogenannten ‘Braindrain" dorthin geführt hat, zum anderen die weite Verbreitung der englischen Sprache innerhalb des früheren britischen Weltreichs.

Was aber bewegt unsere Landsleute dazu, immer mehr deutsche Wörter und Begriffe durch englische zu ersetzen und einander immer häufiger auf Englisch anzureden? So wie in früheren Jahrhunderten die Gebildeten Lateinisch und später die Vornehmen Französisch miteinander redeten, während Deutsch die Sprache des "Pöbels" war, gilt heute Englisch in vielen Augen als die Sprache der Erfolgreichen, der Aufsteiger. Und wer will nicht gern zu den Erfolgreichen statt zu den "Losern", den Verlierern gehören! Für diese Entwicklung kann man die US-Amerikaner am allerwenigsten verantwortlich machen. Als Touristen werden sie sie sicherlich als angenehm empfinden, doch ansonsten machen sie sich ebenso wie die Engländer höchstens über die sprachliche Arschkriecherei der Deutschen lustig. Nein, ausgelöst wurde diese Tendenz, pardon, dieser Trend durch die Werbebranche, die im Auftrag der Industrie- und Handelskonzerne durch immer neue englische Warenbezeichnungen mit großem Erfolg vor allem die jungen Leute zu immer schnellerem Konsum animiert. Normalerweise braucht der Mensch ja nur ein Fahrrad. Also taufte man es in Bike um und versah es mit immer neuen unterschiedlichen englischen Epitheta wie Mountain-, City-, Trekking- usw. Und so auch auf allen anderen Gebieten. Das fing schon mit Swimmingpool statt Schwimmbassin und Camping- statt Zelt an und hat mit Fit- und Wellness- noch längst nicht sein Ende erreicht. Schon die Kleinsten plärren im Kindergarten "Happy birthday to you". Kein Pole käme zum Beispiel auf die Idee sein "Sto lat" durch diesen englischen Song zu ersetzen. Die Behauptung, die Amerikanisierung betreffe nur Werbung, Kommunikation und Verkehr, ist schlichtweg eine Verharmlosung oder bewußte Augenauswischerei. Der Virus der Amerikanitis hat längst alle Bereiche unseres Alltags infiziert. Nur die Politiker und die Theologen sind einstweilen, aus guten Gründen, noch immun dagegen; die einen, weil sie mit den Menschen deutsch reden müssen, wenn sie wiedergewählt werden wollen, und die anderen, um ihre Schäflein bei der Stange zu halten, Wo aber bleiben jene, die bei der Rechtschreibreform "Unsere Muttersprache ist in Gefahr!" geschrien haben? Sie tragen vielleicht sogar fleißig zu dieser Entwicklung bei. Und wo bleibt der empörte Protest unserer Schriftsteller, deren wichtigstes Werkzeug unsere Muttersprache doch ist? Wo bleibt der Martin Opitz* von heute?

(* M. Opitz (1597 - 1639): Einflußreichster deutscher Schriftsteller seiner Zeit. Setzte sich für die Förderung der deutschen Sprache und eine deutsche Nationalliteratur ein.)

 Mit welchem Recht verlangen wir von unseren Mitbürgern ausländischer Herkunft, daß sie Deutsch lernen, wenn wir selber so     lieblos mit unserer Sprache umgehen. Wenn unsere "Leitkultur" in der zunehmenden Demontage unserer Sprache besteht, also eher eine "Leidkultur ist? Triebfedern dieser Entwicklung sind die menschliche Eitelkeit bzw. das Spekulieren darauf sowie Bequemlichkeit. Durch die ach so bequeme Übernahme der Bezeichnungen für neue Produkte, Titel und Entdeckungen büßt unsere Spreche langsam, aber sicher die schöpferische Fähigkeit ein, selber neue Bezeichnungen auf der Grundlage des vorhandenen Wortschatzes zu bilden - Kennzeichen einer gesunden und vitalen Sprache, wie sie z. B das Amerikanische ist, das nur ganz selten Begriffe aus anderer Sprachen übernimmt.

Schlimm ist des Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch, das sogenannte Denglisch. Früher nannte man so ein Sprachgemisch Pidgin—English. Das war die Sprache der Eingeborenen im britischen Kolonialreich. Jüngst führten die Befürworter dieser Entwicklung die in Berlin lebende amerikanische Kabarettistin Gayle Tufts ins Feld. Deren Dinglisch ist zwar äußerst amüsant, taugt aber eben nur fürs Kabarett, qualifiziert sie jedoch nicht dazu, über die Entwicklung unserer Sprache mit zu entscheiden, was sie wohl auch gar nicht beabsichtigt, wenn ich sie recht verstanden habe. Eine Englischlehrerin meinte, der mit Amerikanismen durchsetzte Jargon der Jugendlichen würde diesen das Erlernen der englischen Sprache erleichtern. Das ist ein Trugschluß. Den Jugendlichen geht es vor allem um die Computersprache sowie um das Verstehen der Jazz-, Pop- und Raptexte, und bei denen handelt es sich überwiegend um amerikanischen Slang. Im Englischunterricht dürften sie deshalb ähnliche Schwierigkeiten haben wie einst meine Klassenkameraden, die, aus amerikanischer Gefangenschaft heimgekehrt, noch einmal die Schulbank drückten, um das Abitur zu machen. Daß die Jugend Amerikanismen "cool" findet, ist eine Modeerscheinung. "Cool" kann man übrigens akzeptieren, da es dafür im Deutschen kein deckungsgleiches Wort gibt. Fehlende Deckungsgleichheit sollte das einzige Kriterium für die Übernahme eines Fremdworts bleiben. Nur wenn es im Deutschen noch kein Wort für einen neuen Gegenstand oder Begriff gibt, ist eine Übernahme gerechtfertigt. Es ist nicht einzusehen, warum Filmmusik auf einmal Soundtrack, Preis Award und Rollschuhe Inline Skates - ein häßliches Wortungetüm! - heißen sollen. Selbst die Universitäten bleiben von diesem Virus nicht verschont. Statt der altehrwürdigen lateinischen wissenschaftlichen Grade Magister und Baccalaureus will man deren englische Übersetzungen Master und Bachelor - übrigens auch über altfranzösisch maistre und bacheler ins Englische gelangt - bei uns einführen. Warum nur? Wo bleibt da die Traditionspflege? Latein war jahrhundertelang die Sprache der Wissenschaft!

Zu den Amerikanisierern unserer Sprache zählen auch jene, die nach mehr oder weniger langem Aufenthalt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und Unmöglichkeiten aller Welt kundtun wollen, daß sie nun auch zum sogenannten Jetset gehören, indem sie bei jeder unpassenden Gelegenheit englische "Statements" von sich geben und in "Lifestyle" und "Outfit" ihr "Upperclass-Feeling" zum Ausdruck bringen. Molieres "Precieses ridicules" (Die lächerlichen Gezierten) lassen grüßen.

Als Luther die Bibel übersetzte, tat er das,. um sie möglichst vielen zugänglich und verständlich zu machen. Und er plagte sich redlich, um für jedes fremde Wort den treffenden Ausdruck zu finden, er schaute, wie er es ausdrückte, dem Volk aufs Maul. Heute haben wir die umgekehrte Entwicklung. Die zunehmende Zahl der Sprachsünder müht sich unredlich, für immer mehr deutsche Wörter den passenden oder auch unpassenden englischen Ausdruck zu verwenden, um ihre Texte für möglichst viele immer unverständlicher und unzugänglicher zu machen. Sie schauen nicht mehr dem Volk, sondern dem "Jetset" aufs Maul.

Selbst in der Grammatik zeigen sich bereits Anfänge einer Beeinflussung durch das Englische wie das Plural-s bei deutschen Substantiven (z. B. "Streits" statt "Streitigkeiten" jüngst in der Berliner Zeitung) oder die englische Wortstellung in kausalen Nebensätzen mit "weil".

Von den Befürwortern der Amerikanisierung wird die Sorge um unsere Sprache mit mokantem Lächeln entweder als lächerlicher Purismus oder als kleingeistiger Provinzialismus diskreditiert. In einer Fernsehdiskussion behauptete kürzlich eine deutsch schreibende junge Krimiautorin, das Deutsche könne bestimmte Sachverhalte nicht so präzise ausdrücken wie das Englische und sie habe die philosophischen Schriften Adornos in der englischen Übersetzung besser verstanden als im Original. Ein Tiefschlag für unsere Philosophen - vielleicht hätten Kant, Hegel und Marx ihre Werke lieber in Englisch schreiben sollen?

Meiner Meinung nach wird die ganze Diskussion viel zu allgemein und zum Teil auch falsch geführt. Es geht nicht darum, das Computerenglisch einzudeutschen und der Jugend ihren Jargon zu verbieten, wie es die Befürworter einer schrankenlosen Amerikanisierung unserer Sprache gern unterstellen, sondern darum, daß Konzerne, Banken, Gewerbetreibende und öffentliche Institutionen wieder deutsch mit ihren Kunden bzw. ihrem Pub1ikum reden, daß Events, Performances, special Guests, Awards, Centers und Shops wieder zu Ereignissen, Veranstaltungen, Gästen, Preisen, Zentren und Geschäften werden, daß das scheußliche Denglisch auf das Kabarett beschränkt bleibt, daß in der Kommunikation und im Verkehrswesen deutsche Hinweise wieder gleichberechtigt neben englischen genannt werden und daß der Gebrauch von Anglizismen und Amerikanismen nur auf des Notwendigste beschränkt wird. Das Argument, Fremdwörter bereicherten unsere Spreche, gilt nur, solange keine deutschen Wörter durch sie verdrängt werden. Warum müssen wir unsere Kinder auf einmal Kids nennen? Wieso schläft man in einem Nightshirt besser als in einem Nachthemd? Die Sprachsünder mögen nur einen einzigen vernünftigen Grund nennen, weshalb sie ihre deutschen Kunden mit Englisch traktieren. Mit Türkisch würde ich ja noch verstehen, weil der Kundenkreis nicht unerheblich ist. Aber Englisch? So viel englischsprachige Touristen gibt es bei uns doch gar nicht. Aber vielleicht steht man auch auf dem Standpunkt: Kunde, wenn du kein Englisch kannst, dann lerne es gefälligst! Gleiches könnte man auch von der Filmbranche denken, die es meist nicht mehr für nötig hält, englische Filmtitel (nur die!) zu übersetzen. Neuerdings werben auch Sportvereine ihre Fans mit englischen "Slogans". Um auf die Unterhaltungsmusik zurückzukommen: Als es bei Gründung der USA darum ging, die künftige Amtssprache festzulegen, entschied sich der amerikanische Kongreß mit nur einer Stimme Mehrheit für Englisch und gegen Deutsch. Man stelle sich vor, es wäre umgekehrt gekommen. Dann würde heute von früh bis spät deutschsprachige Unterhaltungsmusik über die Sender dudeln, es gäbe nur noch Deutschrocker bei uns und die meisten Filme und Musicals brauchten auch nicht mehr übersetzt zu werden. Dann wäre unsere ganze Diskussion überflüssig.

Doch kommen wir zu den Schlußthesen:

Verstärkter Englischunterricht: Ja, da Englisch nun mal die Hauptkommunikationssprache ist.

Denglisch: Nein, höchstens noch im Kabarett.

Englisch im Verkehr mit Kunden und Publikum: Nein und nochmals nein!

Englisch im Jugendjargon: Meinetwegen, wenn es ihr Spaß macht.

Verdrängung deutscher Wörter durch englische: Dreimal nein!

Englisch als Fachsprache (Computer, Elektronik, U- Musik usw.) Ja, aber in Maßen. Dringend erforderlich ist jedoch ein erklärendes Fremdwörterbuch, da die gängigen englischen Wörterbücher meistens versagen.

Auch wir wollen wie die anderen Völker kein Multikulti-Europa, sondern ein Europa der Nationen und der Nationalkulturen. Wer seine Sprache aufgibt, gibt seine Kultur auf. Beide sind untrennbar miteinander verbunden.

Dieter Pommerenke

Berlin, den 15.02.2001


Anmerkung
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Der Autor hat Slawistik, Anglistik/Amerikanistik und Romanistik studiert und sich als literarischer Übersetzer jahrzehntelang bemüht, den Menschen in unserem Land fremde Kultur nahe zu bringen. Deshalb ist er über den Verdacht erhaben, fremdenfeindlich oder ein Nationalist zu sein.

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